Vorne offen, hinten geschützt
Rollstuhlgerechtes Einfamilienhaus mit Einliegerwohnung auf drei Etagen
In einem beliebten Wohnviertel nahe der Innenstadt wurde ein Bestandsgebäude abgerissen und das freigewordene schmale Grundstück war bereit für Neubebauung. Es befindet sich im nördlichen Bereich des Quartiers am Rande eines langen Grünzugs, der sich durch das von gründerzeitlichen Villen geprägte Quartier zieht. Für Baurmann Dürr Architekten galt es, ein überzeugendes Gebäudekonzept sowohl auf der Grundlage der strengen Bauauflagen als auch der hohen Anforderungen der Bauherrschaft zu entwickeln. Zum einen wünschte sich das Ehepaar größtmögliche Offenheit zur Straße, um ein „Willkommen“ zu vermitteln. Zum privaten Garten hingegen sollte das Haus nicht einsehbar und geschützt angelegt werden. Im Erdgeschoss galt es eine Einliegerwohnung für die Schwiegermutter zu integrieren und das gesamte Haus sollte Raum für eine exquisite Sammlung zeitgenössischer Kunst bieten. Dazu kamen vielfältige technische Anforderungen, bedingt durch die Tatsache, dass die Hausherrin auf einen Rollstuhl angewiesen ist und das Haus ihr die Möglichkeit bieten sollte, ihren Alltag möglichst unbeschwert zu gestalten.
Der Aufbau des rollstuhlgerechten Wohnhauses ist einfach: Während im Erdgeschoss die Einliegerwohnung untergebracht ist, das Auto geparkt wird und die Kunst wirkt, entfalten sich auf den beiden oberen Etagen die Lebens- und Schlafräume des Ehepaars. Ein Aufzug verbindet alle Ebenen miteinander und bindet auch das Untergeschoss mit dem Kunstlager ein. Vom Erdgeschoss führt eine teils überdachte Terrasse in den ebenfalls komplett barrierefreien Garten mit breiten ebenen Wegen. In den Obergeschossen erweitern zwei großzügige Balkone auf auskragenden Erdgeschossbereichen die Wohnfläche ins Freie. Baukonstruktiv herausfordernd waren die schwellenfreien Übergänge ohne den geringsten Höhenunterschied. Die Arbeitsflächen in der Küche sind je nach Bedarf flexibel in ihrer Höhe anpassbar und die Bäder barrierefrei nutzbar. Trotz der Kleinteiligkeit des Grundrisses sorgen Durchblicke, Fluchten und Ausblicke für eine gewisse Großzügigkeit.
Die Fassade nimmt sich zurück, da das Haus im Kanon der Nachbargebäude nicht zu sehr auffallen soll. Die verwendeten Materialien und die Dachform orientieren sich am Umfeld: Putz und Klinker, dazu Metall für die Fenster sowie ein Satteldach mit Gauben. Der Vorgartenbereich ist Treffpunkt und Plauderecke für die Nachbarschaft. Das Bandfenster im Obergeschoss ermöglicht der Bauherrin von ihrem Arbeitsplatz aus auch bei schlechtem Wetter einen Blick auf das Geschehen auf der Straße. So ist ein unaufgeregt-einfaches, in sich gleichwohl durchaus raffiniertes Haus entstanden, das den besonderen Ansprüchen des Ehepaars auch in ästhetischer Hinsicht gerecht wird.
Fotos:
Swen Carlin
www.swencarlin.com
(Erschienen in CUBE Stuttgart 04|24)