Verjüngungskur
Eine gründerzeitliche Altbauwohnung wurde umgebaut und modern gestaltet
Die Gründerzeithäuser mit ihren bürgerlichen Wohnungen, von denen es in Berlin noch zahlreiche gibt, waren selbstredend auf eine andere Lebensform zugeschnitten, als es den heutigen Bedürfnissen entspricht. Die Architektinnen Lemme Locke Lux aus Berlin erhielten den Auftrag, in einem dieser Häuser in Wilmersdorf, Baujahr 1910, eine 130  m² große Altbauwohnung zu modernisieren. Sie fanden einen Grundriss vor, der dysfunktional erschien: ein „Berliner Zimmer“ als Durchgangsraum zwischen anderen Wohnräumen, eine weit abgelegene Küche im hinteren Bereich und ein dunkler Flur als Verbindung zum Wohnbereich.
Die Planenden entwickelten ein Konzept, das den heutigen Wohnanforderungen entspricht. Nahezu das gesamte Arrangement der Räume wurde verändert: Im zentralen Bereich, wo sich früher das „Berliner Zimmer“ befand, sind nun die Küche und das Esszimmer angesiedelt. Durch diese Grundidee entwickelte sich die sinnfällige, dynamische Raumfolge nahezu von selbst. Das Wohnzimmer und zwei andere Räume, deren Bestimmung je nach Bedarf entschieden werden kann, sowie ein Badezimmer befinden sich vom Zentralbereich aus gesehen vor der Küche. Ein großes Schlafzimmer und ein weiteres Bad liegen hinter der Küche. Einer der Leitgedanken des Konzepts war, möglichst viel Licht ins Innere der Wohnung zu bringen, was durch die räumliche Öffnung auch gelang. Diesem ersten entscheidenden Verwandlungsschritt folgte der zweite – eine zeitgemäße Innenraumgestaltung: Um dem Kern der offenen Wohnlandschaft ein Rückgrat hinzuzufügen, wurde ein 15 Meter langes Einbaumöbel eigens angefertigt. Es grenzt das Zentrum gegenüber den anderen Räumen ab und bietet eine Menge Stauraum. Farbliche Akzente in den Tönen „Icy blue“, „whispering green“ oder einem kräftigen Orange sind passend ausgewählt – im Bad, in der Küche und an manchen Zimmerwänden. Das werthaltige Vollholz-Fischgrät-Parkett war zum Teil noch original vorhanden und konnte aufbereitet und ergänzt werden. Ebenfalls die wunderbaren alten Flügeltüren und die Kastenfenster, die noch erhaltene, schöne Jugendstilelemente und Beschläge besaßen. Kunststofffenster auf der Hofseite wurden gegen neue Holzfenster ausgetauscht. Alles nicht verwendete alte Material wurde einem Handel für historische Baustoffe übergeben. Die Fronten der neuen Küchenmöbel sind mit hochwertigem farbigen HPL (High Pressure Laminat) verkleidet, die Fliesen der Bäder durch italienische Badkeramik ersetzt. Die zahlreichen Einbaumöbel helfen den zur Verfügung stehenden Raum optimal zu nutzen und sorgen für eine geordnete Ruhe in der Wohnung. Trotz der umfangreichen Interventionen und der „Verjüngungskur“ blieb der ursprüngliche Charme der Wohnung erhalten.
Fotos:
Maja Wirkus
www.majawirkus.com
(Erschienen in CUBE Berlin 03|24)